Das Neue Europäische Bauhaus: Schönheit, Nachhaltigkeit und Kulturelles Erbe durch das Prisma Haus Tugendhat

Brünn / Tschechische Republik, Cernopolní 45, Haus Tugendhat, Nordfassade, nach Restaurierung. Foto: Jong Soung Kimm 2012
Brünn / Tschechische Republik, Cernopolní 45, Haus Tugendhat, Nordfassade, nach Restaurierung. Foto: Jong Soung Kimm 2012

The New European Bauhaus: beauty, sustainability and cultural heritage through the prism of Villa Tugendhat (Das Neue Europäische Bauhaus: Schönheit, Nachhaltigkeit und Kulturelles Erbe im Prisma des Hauses Tugendhat) 

Hochrangiges Treffen am 21 November 2022 from 14:30-18:00 in Brünn, Tschechische Republik. Haus Tugendhat

Brünn, Haus Tugendhat, Wohnraum. Daniela Hammer-Tugendhat führt Teilnehmer des hochrangigen NEB-Treffens.  Foto: Zdeněk Kolařík, Magistrat der Stadt Brünn, 21. Nov. 2022
Brünn, Haus Tugendhat, Wohnraum. Daniela Hammer-Tugendhat führt Teilnehmer des hochrangigen NEB-Treffens. Foto: Zdeněk Kolařík, Magistrat der Stadt Brünn, 21. Nov. 2022
.... ein magischer Moment .... Foto: Zdeněk Kolařík, Magistrat der Stadt Brünn, 21. Nov. 2022, 15:45
.... ein magischer Moment .... Foto: Zdeněk Kolařík, Magistrat der Stadt Brünn, 21. Nov. 2022, 15:45
Brünn, Haus Tugendhat, Eingangshalle. Ivo Hammer führt Teilnehmer des hochrangigen NEB-Treffens. Foto: Zdeněk Kolařík, Magistrat der Stadt Brünn, 21. Nov. 2022
Brünn, Haus Tugendhat, Eingangshalle. Ivo Hammer führt Teilnehmer des hochrangigen NEB-Treffens. Foto: Zdeněk Kolařík, Magistrat der Stadt Brünn, 21. Nov. 2022
Brünn, Haus Tugendhat, Wohnraum. Foto: Zdeněk Kolařík, Magistrat der Stadt Brünn, 21. Nov. 2022, 15:44
Brünn, Haus Tugendhat, Wohnraum. Foto: Zdeněk Kolařík, Magistrat der Stadt Brünn, 21. Nov. 2022, 15:44

Brünn, Haus Tugendhat, Wohnraum. EU Kommissarin Mariya Gabriel und Daniela Hammer-Tugendhat. Foto: Zdeněk Kolařík, Magistrat der Stadt Brünn, 21. Nov. 2022
Brünn, Haus Tugendhat, Wohnraum. EU Kommissarin Mariya Gabriel und Daniela Hammer-Tugendhat. Foto: Zdeněk Kolařík, Magistrat der Stadt Brünn, 21. Nov. 2022
Brünn, Haus Tugendhat, Untergeschoß. Hochrangiges NEB-Treffen. Grußworte von Monika Landmannová, EU Botschafterin in der Tschechischen Republik. Foto: Zdeněk Kolařík, Magistrat der Stadt Brünn, 21. Nov. 2022
Brünn, Haus Tugendhat, Untergeschoß. Hochrangiges NEB-Treffen. Grußworte von Monika Landmannová, EU Botschafterin in der Tschechischen Republik. Foto: Zdeněk Kolařík, Magistrat der Stadt Brünn, 21. Nov. 2022
Brünn, Haus Tugendhat, obere Terrasse, Südostwand, Campione (archäologisches Fenster), das die originale Fassadenoberfläche zeigt. Foto: Ivo Hammer 21.11.2022, 15:45
Brünn, Haus Tugendhat, obere Terrasse, Südostwand, Campione (archäologisches Fenster), das die originale Fassadenoberfläche zeigt. Foto: Ivo Hammer 21.11.2022, 15:45
Brünn, Haus Tugendhat, Wohnraum. Martina Dlabajová, Abgeordnete des EU Parlaments und Daniela HammerTugendhat. Foto: Zdeněk Kolařík, Magistrat der Stadt Brünn, 21. Nov. 2022
Brünn, Haus Tugendhat, Wohnraum. Martina Dlabajová, Abgeordnete des EU Parlaments und Daniela HammerTugendhat. Foto: Zdeněk Kolařík, Magistrat der Stadt Brünn, 21. Nov. 2022
Brünn, Haus Tugendhat, Untergeschoß. Hochrangiges NEB-Treffen, Diskussionsrunde: (von links) Martin Selmayr, Martina Dlabajová, Mariya Gabriel, Vlastislav Ouroda, Ivo Hammer. Foto: Zdeněk Kolařík, Magistrat der Stadt Brünn, 21. Nov. 2022
Brünn, Haus Tugendhat, Untergeschoß. Hochrangiges NEB-Treffen, Diskussionsrunde: (von links) Martin Selmayr, Martina Dlabajová, Mariya Gabriel, Vlastislav Ouroda, Ivo Hammer. Foto: Zdeněk Kolařík, Magistrat der Stadt Brünn, 21. Nov. 2022
Wien, Tongasse 3, Sockelbereich. Putzschäden bedingt durch Beschichtung mit einem Putz und einem Anstrich, die nicht hydrophil sind. Foto Ivo Hammer, 2022
Wien, Tongasse 3, Sockelbereich. Putzschäden bedingt durch Beschichtung mit einem Putz und einem Anstrich, die nicht hydrophil sind. Foto Ivo Hammer, 2022

REPAIR – RE – TURN  /  POROSITY – RE – TURN

Brno, Haus Tugendhat. 21. November 2022

Das Neue Europäische Bauhaus: Schönheit, Nachhaltigkeit and Kulturelles Erbe im Prisma des Hauses Tugendhat 

Hochrangige Diskussionsrunde mit Martina Dlabajová (Mitglied des Europäischen Parlaments), Mariya Gabriel (Europäische Kommissarin für Innovation, Forschung, Kultur, Bildung and Jugend), Ivo Hammer (Konservator-Restaurator, Kunsthistoriker und Professor em. an der HAWK Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst), Vlastislav Ouroda (Vize-Minister für Kultur der Tschechischen Republik), Moderation: Martin Selmayr (EU Botschafter in Österreich), Grußworte: Monika Ladmanová (EU Botschafterin in der Tschechischen Republik) und Martin Selmayr

 

Statement Ivo Hammer:

 

Meine Damen und Herren

 

Ich bedanke mich für die Einladung zu diesem event und bei Martin Selmayr für die freundliche Einführung.

 

Mein kurzes statement geht von der Frage aus:

Was können wir von der Denkmalpflege allgemein und vom Haus Tugendhat im Besonderen lernen

Was können wir lernen:

  • für den Umgang mit bereits bestehenden Bauten

 und was können wir lernen

  • für schöne, nachhaltige und inklusive Neubauten?

 

Zunächst einige Bemerkungen zur Materialität des Hauses Tugendhat:

Die Schönheit des Hauses Tugendhat basiert nicht nur auf dem 1930 neuartigen design. Seine Schönheit basiert auch auf seiner Materialität: auf der Verwendung edler Materialien wie Onyxmarmor, Travertin, Tropenhölzer, Seide, Pergament und poliertem Chrom und Nickel, und der auf der handwerklich äußerst präzisen Bearbeitung aller traditionellen Oberflächen, des geschliffenen stucco lustro der Innenwände, der sorgfältigen material-farbenen Lackierung der Metall- und Holzteile. Buntfarben brachte das Leben, brachten einzelne Möbel, Blumen.

Viele Elemente, wie die Wände de Innenräume und der Fassade sind in außergewöhnlich sorgfältiger, aber dennoch traditioneller Handwerkstechnik ausgeführt. Man kann sie entsprechend ohne großen Aufwand pflegen und reparieren, ohne dass sie ästhetisch oder physikalisch unvorteilhaft verändert werden. Schmutzflecken auf den Innenwänden z. B. hat man während der kurzen Zeit, in der die Familie Tugendhat ihr Haus bewohnen konnte, durch Radieren mit Brot entfernt, es war kein Anstrich notwendig.

Die Innenwände sind nicht nur schön, sie durch ihre hydrophile Porosität, die durchlässig ist für Wasser in flüssiger Form, auch für das Raumklima angenehm, weil keine Kondensfeuchtigkeit an der Oberfläche entstehen kann, und damit auch keine Mikroorganismen. (Allergien!)

Die aus Ziegeln bestehenden Außenmauern sind traditionell mit geriebenem Kalkputz beschichtet und mit Kalktünche gestrichen. Anders als der Zement, der 8% zur weltweiten CO2-Emission beiträgt, ist der Kalk weitgehend CO2 neutral. Man hat die Fassade des Hauses T. mehrfach mit Kalktünchen gepflegt, auch während der Zeit der Nutzung als Tanzschule und als Kinderspital von 1945-1980. Erst nach 1985, als man die Fassade mit einer modernen, Kunstharz als Bindemittel enthaltenden Farbe beschichtetet, traten erheblichen Schäden auf. 2011 haben wir die traditionelle Form der periodischen Pflege mit einer Kalktünche wieder eingeführt.

 

 

Bemerkungen zur aktuellen Situation der Bauwirtschaft hinsichtlich Materialien und Technologie.

Seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts erleben wir radikale, dramatische Veränderungen. 

 

Altbauten:

Die historische Tradition der periodischen Pflege und Reparatur wurde (wie in anderen Bereichen auch) verlassen. Die mangelnde Pflege und Reparatur führen zu schnellem Verschleiß, und entsprechender Verschwendung von Ressourcen und Energie. 

Der Gebrauch historisch bewährter Materialien wurde aufgegeben zu Gunsten von Materialien, die mit dem historischen Bestand physikalisch-chemisch und auch ästhetisch nicht kompatibel sind und zu schweren Schäden an den Altbauten führen. Nicht hydrophile, also für Wasser in flüssiger Form durchlässige Anstriche führen zu beschleunigter Verwitterung (um den Faktor 1000 reduzierte Trockungsgeschwindigkeit!) und zerstören längerfristig die historische Oberfläche. Wärmedämmungen, sehr häufig brandgefährlich (Grenfell-Tower in London), sind nach 40 Jahren versicherungstechnisch obsolet, technologisch oft in noch viel kürzere Zeit. Fenster und Türen aus Plastic sind nicht reparierbar.

 

Neubauten:

Die Neubauten basieren auf kurzfristiger ökonomischer Kalkulation und beschleunigter Obsoleszenz und entsprechender Verschleuderung von Ressourcen und Energie. Wir leben in Betonbauten und Gipskarton-Wänden und Plastic-Anstrichen. Die nicht hydrophilen Oberflächen (von überdies meist kleinen und niedrigen Wohnräumen) führen zum Wachstum von Mikroorganismen, begünstigen Allergien und machen häufige Schocklüftung notwendig. 

 

Meine These zum Umgang mit Altbauten

Man kann Denkmalpflege kann als paradigmatische Form einer nachhaltigen, ökologisch sinnvollen und ästhetisch schönen Form des Umgangs mit historischer Architektur sehen,

z.B. hinsichtlich folgender Kategorien:

  • Erhaltung der langen Lebensdauer durch regelmäßige Pflege und Reparatur mit Materialien und Methoden, die mit dem historischen Bestand kompatibel sind und die Reparaturfähigkeit erhalten, statt kosmetische Eingriffe mit physikalisch schädlichen und ästhetisch störenden Materialien. Technologisches Charakteristikum der historischen Bauten ist ihre hydrophile Porosität. 
  • Wiederverwendung von Materialien bei der Rekonstruktion und Adaption. Die Recyclingrate eines historischen Baus ist ca. 95%, eines modernen Neubaus oft nur ca. 5%. (Kohler, 1996) und Trennfähigkeit unbedenkliche Deponierung nicht mehr verwendbarer Materialien. (Heute ist Bauschutt überwachungsbedürftiger Sondermüll
  • intelligente kulturelle Nutzung statt kurzfristiger ökonomischer Spekulation. Vermeidung von (langfristig berechnetem) Energieverlust und sanfte Adaption an neue Nutzungsbedürfnisse. Die ökologischste Form des Bauens ist das Nicht-Bauen.

 

 

Meine These zu den Neubauten:

Die Umweltpolitik der Denkmalpflege ist auch für den Neubau relevant. 

Die Baudenkmale repräsentieren Ansätze zur Lösung von technischen, ästhetischen und anderen kulturellen und sozialen (z. B. auch urbanistischen) Problemen. In den Denkmalen sind die Erfahrungen von rund 15000 Jahren (Göbekli Tepe) gespeichert, die mit ihrer bloßen Existenz ihre technologische Tauglichkeit und ihre kulturelle Eignung bewiesen haben. Warum sollten wir diese Quellen der Erkenntnis nicht nutzen?

 

 

Einige Forderungen zu einer nachhaltigen Bauwirtschaft

 

  • Die Baustoffindustrie und die Materialwissenschaft sollten sich auf nachhaltige traditionelle Materialien wie Kalk, Holz, Lehm fokussieren
  • Die technischen Normen entsprechen zwar vielen im Labor designten Baustoffen, sind aber für historische Techniken oft unsinnig
  • Steuerrecht, Mietrecht: benachteiligt Altbauten
  • Förderungsrecht: öffentliche Förderungen sollten bezüglich ihrer langfristigen Auswirkung, also ihrer Nachhaltigkeit überprüft werden
  • Die Ökonomische Forschung sollte mit dem gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks: kalkulieren, nicht nur einem Teilabschnitt. 
  • Bildungssystem: Architektur, ihre Schönheit, Geschichte und nachhaltige Reparatur sollte Teil des normalen Bildungscurriculums werden
  • Architektenausbildung, Handwerkerausbildung sollten die historischen Techniken, Reparaturmaterialien und Reparaturtechniken in ihr curriculum aufnehmen
  • In vielen Ländern Europas und auch international sind die Universitätskurse für die Erhaltung von historischer Architektur nur für Architekten eingerichtet. Es fehlen Kurse für Konservatoren-Restauratoren von Architekturoberfläche.
  • Ästhetische Normen: Ästhetik der Reparatur, Gebrauchswert statt Neuheitswert

 

Die Projekte, die im Rahmen des NEB Preise gewonnen haben, sind inspirierend, ober oft Einzelaktionen. Sie sollten mainstream werden.

 

Für eine nachhaltige und ökologisch sinnvolle Bauwirtschaft brauchen wir

  • methodisch einen Repair-re-turn und 
  • technologisch einen Porosity-re-turn (hydrophile Porosität, also durchlässig für Wasser in flüssiger Form)